Dieser weite Weg by Allende Isabel

Dieser weite Weg by Allende Isabel

Autor:Allende, Isabel [Allende, Isabel]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Suhrkamp
veröffentlicht: 2019-03-17T23:00:00+00:00


VIII

1941-1942

Nun aber, wenn du allmählich aufhörst, mich zu lieben,

werde ich aufhören, dich zu lieben, allmählich.

Wenn du auf einmal

mich vergisst, suche nicht nach mir,

denn ich werde dich schon vergessen haben.

Pablo Neruda, »Wenn du mich vergisst«

Die Verse des Kapitäns

Durch Ofelias verschärften Hausarrest in der Calle Mar del Plata wurden ihre Liebestreffen im Hotel seltener und kürzer. Da sie jetzt nicht mehr ständig für ihn greifbar war, dehnte sich für Víctor die Zeit, und hin und wieder konnte er Salvador Allendes Einladung zu einer Partie Schach nachkommen. Mit dem Herzen war er bei Ofelia, doch drängte ihn nicht mehr die nagende Ungeduld, alles stehen und liegen zu lassen und sie in die Arme zu schließen, und er musste sich nicht mehr die Nächte mit seinem Studium um die Ohren schlagen, um die wegen ihr versäumten Stunden nachzuholen. Den Vorlesungen an der Uni, bei denen die Anwesenheit nicht kontrolliert wurde, blieb er fern, weil er besser aus Büchern und Skripten lernte. Er konzentrierte sich auf die Arbeit im Labor, auf die Autopsien und die Praxis im Krankenhaus, wo er mit seiner Erfahrung hinterm Berg halten musste, um seine Professoren nicht zu beschämen. Im Winnipeg versah er seine Abendschicht zuverlässig, nutzte die Stunden, wenn wenig Betrieb war, zum Lernen und behielt Marcel in seinem Laufstall im Auge. Jordi Moliné, der katalanische Schuhfabrikant, erwies sich als idealer Geschäftspartner, war immer zufrieden mit den spärlichen Gewinnen, die das Lokal abwarf, und dankbar, dass er einen Ort hatte, der heimeliger war als sein Witwerhaushalt, wo er mit Freunden plaudern, seinen Carajillo aus löslichem Kaffee mit Schnaps trinken, die Gerichte aus seiner Heimat essen und Akkordeon spielen konnte. Víctor hatte ihm das Schachspielen beibringen wollen, aber Moliné sah keinen Sinn darin, die Figuren auf dem Brett hin und her zu schieben, wenn es nichts Handfestes zu gewinnen gab. Manchmal, wenn er sah, wie müde Víctor war, schickte er ihn schlafen und übernahm gut gelaunt seinen Platz hinter der Theke, servierte den Gästen allerdings nur Wein, Bier oder Cognac. Von Cocktails verstand er nichts, für ihn war das ein modisches Zeug für Schwuchteln. Roser begegnete er mit Achtung, Marcel mit Zuneigung. Oft kauerte er lange bei ihm hinter dem Tresen und spielte mit ihm, Marcel war das Enkelkind, das ihm fehlte. Einmal fragte Roser ihn, ob er noch Familie in Katalonien habe, und er erzählte, dass er sein Dorf vor über dreißig Jahren verlassen hatte, um sein Glück zu suchen. Er war Seemann gewesen in Südostasien, Holzfäller in Oregon, Lokomotivführer und Bauunternehmer in Argentinien, kurz, er hatte alles Mögliche getan, ehe er schließlich in Chile mit seiner Schuhfabrik zu Geld kam.

»Eigentlich habe ich noch Verwandtschaft dort, aber Gott weiß, was aus ihr geworden ist. Im Krieg waren sie uneins, die einen waren Republikaner, andere hielten zu Franco, es gab kommunistische Milizionäre in der Familie, aber auch Priester und Nonnen.«

»Haben Sie noch zu jemand Kontakt?«

»Ja, mit ein paar von meinen Verwandten. Stellen Sie sich vor, einer von meinen Cousins hat sich den ganzen Krieg über versteckt, und jetzt ist er Bürgermeister in seinem Dorf.



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